The End Match | Schriftliches Abitur 2018 in Baden-Württemberg

Kategorien Tagebuch

Es ist das, worauf acht Jahre abzielen, oder zwölf, aber besonders die letzten circa fünf Wochen, bevor es dann wirklich beginnt: das schriftliche Abitur. In Baden-Württemberg immer sehr schülerfreundlich kurz nach den Osterferien Ende April, vorzugsweise auch über den ersten Mai, dessen Feierlichkeiten in diesem Fall für die Abiturienten ausfallen. In insgesamt vier schriftlichen Prüfungsfächern gilt es, sich zu beweisen – oder vielmehr das, was man sich in den letzten Jahren und Monaten angeeignet hat.

Spätestens im letzten Schuljahr wird die Aufregung präsent und der Begriff „Abitur“ real, war er doch vorher eine Art Utopie, die in hundert Jahren noch nicht vor der Tür steht. Grundsätzlich fällt ja auch schon ab der fünften Klasse in einer nichtssagenden Geographie-Stunde erstmals der Satz: „Und genau das braucht ihr im Abitur!“ Wie soll man diese Aussage auf Dauer und über die Jahre hinweg auch schon ernst nehmen und den Respekt vor ihr bewahren?

Doch ebenso zuverlässig wie die Gelassenheit über die Schulzeit hinweg ist auch die einsetzende Aufregung, spätestens zu Beginn des neuen Jahres. Dann rückt „Abitur“ zurück in das Bewusstsein und sorgt dafür, dass man sich das eine oder andere Mal für den Schreibtisch und gegen das Bett entscheidet. Wobei ich nach etwa zwei Wochen mehr oder weniger intensiver Lernphase keinen Unterschied mehr zwischen dem Bett und dem Schreibtisch gemacht habe, Fakt ist: mit ausreichender Menge Müdigkeit ist Schlafen überall möglich.

Verrückt wie ein Tag am Schreibtisch zwischen Differentialgleichungen und Passatzirkulationen so überhaupt nicht vergeht und sich anfühlt wie 36 Stunden, während alle Tage in der Summe so klein  sind, wenn man zurückschaut. Im Rückblick liegt zwischen dem ersten Schultag der zwölften Klasse und dem Abend des 17. Aprils  eine kurze Sekunde, in der ich sehr, sehr viel gelernt habe.

Am Abend des 17 Aprils lag ich sehr, sehr aufgeregt in meinem Bett und wartete darauf, dass es Nacht und wieder Morgen wurde. In mein Tagebuch schrieb ich:

Ich weiß noch, wie wir bei den Essensvorbereitungen in der zehnten Klasse die Abiturklausuren auf den Tischen liegen sahen und uns kaum trauten, ihnen zu nahe zu kommen. Das Abitur hatte etwas beängstigendes, und das hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht geändert. Wir wissen jetzt nur, was auf uns zu kommt. 

Was zum großen Teil gelogen war. Denn erstens lagen am nächsten Morgen nicht direkt die Abiturklausuren auf dem Tisch, die werden nämlich ausgeteilt während wir zu Beginn nur weiße, leere Bögen vor uns hatten. Zweitens, so richtig wusste keiner von uns was auf uns zu kommt – bis es schlussendlich so weit war.

 

INFORMATION

Fakt ist: wir sind in unseren Meinungen zu einem Prozess immer beeinflusst durch die Wertung des Ergebnisses. Deswegen habe ich den gesamten Text über die Prüfungen am Sonntag, den 24.06. verfasst – Stunden vor der entscheidenden Notenausgabe in der Schule. Lediglich das Ergebnis und mein Kommentar dazu stammt von den Stunden „danach“.

Mittwoch, 18. April | Deutsch-Abitur

Unser erstes Abitur. Es war alles genauso wie immer an unserer Schule, wenn Abitur geschrieben wird. An den Türen hingen Schilder mit der Aufschrift „Schriftliche Abiturprüfungen. Bitte Ruhe!“, auf den Gängen lagt etwas in der Luft: Aufregung und Spannung und ein bisschen Angst. Wir waren heute die, die wir in den letzten Jahren mit einer Mischung aus Mitleid, Bewunderung und Neid angeschaut hatten, als sie durch die Aula in Richtung Prüfungsräume gelaufen waren.  Ich war vor Deutsch definitiv am meisten aufgeregt, weil ich eine extrem hohe Erwartung an mich selbst hatte. Ich wusste, dass ein Ergebnis im Einserbereich prinzipiell möglich ist, weil ich in den vergangenen zwei Jahren in keiner einzigen Klausur darunter lag.  Aber ich wusste auch, von wie viel das abhängig war: von der Art, wie ich die Worte aufnehme und umwandle und schreibe, weil das nämlich jeden Tag ein bisschen anders ist, von der Aufgabenstellung und wie sie mir liegt. Als wir das Klassenzimmer betraten wusste ich noch nicht einmal, welche Aufgabe ich überhaupt bearbeiten wollte – Essay oder Kurzrosa-  und ich hatte auch Angst, mich wohlmöglich nicht entscheiden zu können. Dass Asthma sehr emotions-abhängig ist, weiß ich jetzt auch. In den ersten Minuten an meinem Platz am Fenster war ich voll und ganz damit beschäftigt, zu atmen. Die gruselige Frage, ob wir uns alle gesundheitlich in der Lage sehen würden , diese Klausur zu schreiben, senkte nicht unbedingt meine Panik diesbezüglich. Dann blendete ich alles aus und öffnete den Umschlag. Eins von vier.

Ich hatte mich im Vorfeld auf den Essay und die Kurzprosa vorbereitet, wenn man bei „Durchlesen der alten Klausuren“ von Vorbereitung sprechen kann. Als ich das Essay-Thema sah, wusste ich freundlicherweise auch sofort, was ich nicht machen wollte, von Entscheidungsproblemen keine  Spur. „Sprache leicht gemacht“ – echt jetzt? Vor einem Jahr lautet das Thema „Macht der Sprache“, und wie es aussieht lässt die Macht der Kreativität im Kultusministerium zu wünschen übrig. Das Thema lässt meiner Meinung nach wenig Freiraum für kreative, vielfältige Rahmenfiktionen und Themen. Umso erleichterter war ich, dass die Kurzprosa-Aufgabe „Spuk in Genf“ von Erich Kästner behandelte. Zwar war meine erste Assoziation mit dem Autor – das Fliegende Klassenzimmer – in Puncto literarisches Niveau nicht ganz mit „Spuk in Genf“ auf einer Höhe, aber ich arbeitete mich trotzdem zügig ein.
Wieso der geistesgestörte Typ vor den Augen der schockierten Café-Gäste ein Glas verspeist – fragt mich nicht. Aber dass ein Glas die Transparenz darstellt, die sich die Bürger vielleicht von der Politik wünschen, die aber von ihnen mit den eigenen Zähnen zerstört wird klingt zumindest irgendwie nachvollziehbar oder? Alles in allem war die Geschichte (Parabel? Erzählung? Eines der Dinge, die ich nicht sicher weiß) ein Glücksfall und fünfeinhalb Stunden und 19 Seiten später war ich durch, mit der letzten Deutsch-Klausur meines Lebens. Ich ging aus der Prüfung mit einer Erwartung von etwa 12 bis 13 Punkten, wobei ich mich definitiv auch auf schlechteres gefasst machte, weil ich einfach nicht mehr alle wichtigen Aspekte einbringen und auf eine runde Gesamtdeutung kommen konnte.

NOTE: 14 Punkte !!! Ganz ehrlich, auch wenn alle immer zu mir gesagt haben: „Du schreibst doch eh eine Eins in Deutsch!“, ich persönlich habe zu keinem Zeitpunkt damit gerechnet. Dazu muss man nur ein paar Zeilen weiter oben nachlesen, die ich noch unwissend geschrieben habe. Nein, es sind keine 12 bis 13 Punkte geworden sondern 14, und das macht mich unglaublich glücklich!

Mit ein wenig Kombinationstalent und Selbstvertrauen hätte ich mich eventuell auch darauf einstellen können, am Abiball den Scheffel-Preis, die Auszeichnung für besonders gute Leistungen im Schulfach Deutsch, zu erhalten. Offensichtlich besitze ich aber beides nicht, denn als am 07.07. dann tatsächlich mein Name auf der Bühne fiel, fiel ich auch – aus allen Wolken. Ich war immer davon ausgegangen, den Scheffel-Preis bekäme der oder diejenige mit dem besten Deutsch-Abitur, und weil ich nicht wusste, ob nicht vielleicht jemand 15 Punkte geschrieben hatte, hatte ich meine Hoffnungen absolut klein gehalten.

Ich bin einfach nur überglücklich über diesen Preis ( auch wenn ich auf der Bühne erstmal geheult habe, ja), weil es einfach ein so schöner Abschluss für diese 12 Jahre Deutschunterricht ist, den ich immer so genossen habe. Ich habe das Sprachliche nicht gesucht- es hat mich einfach gefunden. Damals im Kindergarten, als mir in meinem letzten Jahr so langweilig war, dass ich meinen Vater gezwungen habe, mir Lesen beizubringen. Dann hatte ich irgendwann alle Bücher im Kindergarten durch und freute mich auf die Grundschule – wo das erste halbe Jahr darin bestand, eine ganze Seite mit den Silben „Mä“ und „Mu“ vorzulesen. Das erste, was mir in Deutsch Schwierigkeiten bereitet hat, war das sachliche Schreiben und das Interpretieren. Es hat lange gedauert, bis ich das eingesehen und meine kreativen Einwürfe in einer faktischen Analyse eines Sachtextes gezügelt habe.  Mit den Jahren habe ich aber auch angefangen, mich für das Interpretieren zu begeistern. Es ist doch einfach so faszinierend, das irgendjemand, der vielleicht schon 100 Jahre tot ist, einen Satz geschrieben hat, und dieser Satz wiederum ganze Welten in uns eröffnen kann, weil er auf unzählige verschiedene Weisen verstanden werden kann. Selbst wenn er sich diese Dinge niemals selbst gedacht hat, das ist doch die Magie des Schreibens, und sie verdient es, genauso erforscht zu werden wie eine Säure-Base-Reaktion im Chemie-Unterricht. Ok das reicht jetzt zum Thema Deutsch, ungefähr sämtliche meiner Klassenkameraden haben bei den vergangenen Sätzen sowieso den Internetbrowser zugemacht 😀

Freitag, 20. April | Englisch-Abitur

Englisch-Abitur 2018 – was soll ich sagen? Ich strengte mich an diesem Morgen wirklich an, aufgeregt zu sein, mich in die selbe konzentrierte Stresssituation zu versetzen, die mir im Deutsch-Abitur die konzentrierte Arbeit ermöglicht hatte. Aber es war fast unmöglich – vor Englisch hatte ich einfach keine Angst. Dabei konnte ich mit Eintritt in die fünfte Klasse Gymnasium noch nicht einmal he und she auseinander halten, von „he she it das s muss mit“ gar nicht zu sprechen. Aber dann hatte ich einfach durchgehend bis zur Oberstufe die ambitioniertesten, strengsten aber letztendlich besten Lehrerinnen, die mir die englische Sprache mitsamt ihrer grammatikalischen Eigenarten näher gebracht haben. Ob ich wollte oder nicht – und ich wollte. Ich kann wirklich froh sein, dass Englisch für mich so einfach ist und mir so viel Spaß macht. Ansonsten wäre meine Abitur-Klausur vielleicht auch anders verlaufen – man denke an die Englisch-Petition, über die ich mir hier schon mal Gedanken gemacht habe.

Ich hatte aber auch einfach Glück. Mir liegen literarische Texte nunmal besser als sachliche – siehe Deutsch haha -, und weil ich von Mittwoch noch so im Interpretationsmodus war, fiel mir die Analyse in Aufgabe 1 überhaupt nicht schwer. In Aufgabe 2 kam es mir sehr zu gute, dass es – neben der bescheuerten Freiheitsstatue als Möchtegern-Protagonistin – um Lily aus Half Broke Horses ging, und nicht um irgendwelche paranoiden, rassistischen oder verängstigten Menschen aus Crash. Auch wenn ich den Film wirklich gut finde – so ganz verstanden habe ich ihn, glaube ich, nie. Aufgabe 3 war dann einfach nur Jackpot für mich, denn es ging um Brexit. Ich hatte circa zwei Wochen damit verbracht, mir alle möglichen Dokus und Erklärvideos über den Brexit reinzuziehen, weil „er könnte ja eventuell dran kommen“. Was der Fall war – ich hatte die ganze Aufgabe mit einem Grinsen runtergeschrieben.

Als ich den Prüfungsraum verließ – in ziemlicher Ekstase wohlgemerkt – rechne ich noch mit 13 Punkten. Da dachte ich allerdings auch noch nicht an lustige Details wie die Freiheitsstatue und generell die Analyse-Aufgabe dieses Textabschnittes – die hatte ich nämlich elegant ausgelassen und war direkt zu Lily und ihrem aufregenden Leben übergegangen.

Zum Glück ging meine Kommunikationsprüfung gut einen Monat später mit 15 NP sehr erfolgreich zu Ende und auch wenn diese Note nur 1/3 zu meiner Gesamt-Englischnote zählt, hoffe ich dass sie mich ein bisschen hochziehen kann.

NOTE: 14 Punkte !! Wobei ich dazu sagen muss dass ich, das Rechenbrain Nummer 1, noch nicht sicher weiß, ob ich schriftlich jetzt 13 oder 14 Punkte geschrieben habe, möglich wäre (soweit ich weiß, korrigiert mich) beides. Ich werde meine Englisch-Lehrerin mal fragen, aber eigentlich ist es auch ganz egal weil ich mit beidem vollkommen zufrieden wäre. Englisch war für mich zum Glück immer ein Selbstläufer, wobei die hohen Erwartungen, die ich bei Deutsch an mich selbst hatte, aber komischer Weise ausgeblieben sind. Es macht mich total happy, dass ich dieses coole Fach mit dieser Note abschließen kann! (and hopefully I wont forget everything!)

 

Montag, 23. April | Geographie- Abitur

 

Von allen Prüfungen hatte ich vor Geographie am meisten Angst. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir dieses Fach liegt, in irgendeiner Form, im Gegenteil. Die Wahl zum vierstündigen Fach erfolgte lediglich in Ermangelung echter Alternativen und auch die Entscheidung, darin mein Abitur zu schreiben entstand größtenteils daraus, dass ich in jedem zweiten spanischen Satz Französisch rede und daher unmöglich in Spanisch hätte Abitur machen können. Zwar bin ich irgendwie ziemlich gut durch die zwei Jahre Geo gekommen, aber vor dem Abitur an diesem Morgen hatte ich vor allem eines: Zweifel. Zweifel, weil die Übungsphasen immer nicht gerade überragend waren und das STARK Buch und ich öfters mal kleinere Meinungsunterschiede austrugen. Das einzige Thema, in dem ich mir wirklich schlafwandlerisch sicher war (und das vermutlich auch das einzige Thema ist, das hängen bleiben wird wenn ich in 10 Jahren zurück blicke), war Vulkanismus. Leider nur eines von vielen Themengebieten… Die Zweifel rissen dann leider auch die nächsten vier Stunden nicht ab. Die erste Aufgabe setzte ich komplett in den Sand, beim Rest war es auch nicht unbedingt besser. Es war niemals vergleichbar mit beispielsweise der Englisch-Klausur, bei der ich mir bei allem ziemlich sicher war. In Geo – no way. Falls es jemanden interessiert: ich habe die zweite Klausur gewählt, die den Vulkanismus, die Wettererscheinungen und die wirtschaftliche Situation der Inselkette der Kapverden behandelt. Ich habe mir übrigens vorgenommen, dass ich den Ort, den ich im Geo-Abitur bearbeiten werde einmal bereise. Nach der Klausur habe ich die Inseln erst mal gegoogelt und muss sagen: es könnte schlimmere Urlaubsziele geben 😉 Mal sehen, ob ich dieses Vorhaben tatsächlich einmal in die Tat umsetzen werde, allerdings denke ich dann besser nicht mehr an die misslungene Klausur von damals zurück.

Das Highlight an diesem Tag war jedenfalls das Pizza essen mit meinen Freuden danach – alles andere kann man vergessen und entsprechend erwartungslos bin ich dem Ergebnis gegenüber von Anfang an geblieben.

NOTE: 11 Punkte. WOW. Einfach nur WOW, weil ich damit niemals  gerechnet hätte. Ganz ehrlich, diese Klausur war eine einzige Katastrophe. Selbst mein angeblich so schlafwandlerisches Vulkanismus-Wissen hatte mich stillschweigend verlassen, sodass ich in der (im falschen Maßstab gezeichneten) Profilskizze in Nummer 1 nicht einmal die Somma-Vulkane im Krater erkannte. Meine Hoffnungen auf eine zweistellige Note hatten sich während der Klausur oder allerspätestens in den Geostunden danach komplett in Luft aufgelöst. Und dann kommt so etwas dabei raus?

KLAR hätte ich mit Französisch oder Geschichte eine bessere Note erzielt. KLAR wäre dieser Tag anders verlaufen, wenn ich in Geschichte statt Geo gesessen wäre. Aber nach zwei Jahren habe ich zumindest einigermaßen akzeptiert, dass es wohl einfach so sein sollte, und dass es durchaus auch Vorteile hat, wie es gekommen ist. Ansonsten hätte ich niemals diese unvergessliche Exkursion mitgemacht, und würde nicht meinen kommenden September auf einem Vulkan verbringen ( mehr Infos darüber: coming soon). Und ich hätte am Abiball nicht den Geopreis bekommen. Ein Heulanfall blieb da glücklicherweise aus, weil ich das schon vorher wusste. Das Coolste an dem Preis ist definitiv das Buch „Wie viel wiegt ein Berg?“ von Jacopo Pasotti. Hätte mir vor zwei Jahren einer gesagt, dass ich das mal freiwillig und voller Interesse lesen würde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Das hat die missglückte Kurswahl mit mir gemacht: sie hat eine neue Faszination in mir geweckt. Besser hätte es doch eigentlich nicht laufen können.

 

Mittwoch, 02. Mai  | Mathematik- Abitur 

 

Was haben der 10. September 2006 und der 02. Mai 2018 gemeinsam? Richtig, an beiden Tagen war mir klar, dass Mathe und ich keine Freunde sind. Von meiner ersten bis zur letzten Mathestunde hatte ich keinerlei Zweifel daran, dass mein Mathe-Abitur schlecht wird, egal wie viel ich lerne. Aber ich lernte wirklich viel in den Wochen vor dem Abi, besuchte sogar einen dreitätigen Intensiv-Kurs ( der ungefähr gar nichts bringt, NICHT weiter zu empfehlen!!) und wusste am Ende der Lernzeit zumindest eins: Ich werde mir später nicht vorwerfen können, dass ich zu wenig gelernt habe. Ohnehin bin ich in diesen zwei Jahren weit über meine einst gesetzten Grenzen im Fach Mathematik hinaus gegangen. Ich kann jetzt Dinge, von denen ich am Ende der zehnten Klasse nie gedacht habe, dass ich sie einmal kann. Damit ging ich dann auch in die Prüfung: mit der Gewissheit, dass ich nicht nichts kann, und der Gelassenheit, dass ich keinerlei Erwartungen habe. An dieser Stelle: Grüße gehen raus an die Einbrecher in Niedersachsen, die meinten sie müssten zwei Tage vor dem zumindest annähernd zentralen Mathe-Abitur in Deutschland in ein Gymnasium einbrechen – wohlgemerkt nicht einmal um die Klausuren zu stehlen sondern Bargeld. Hättet ihr euer ohnehin nicht besonders moralisches  Vorhaben drei Tage später in die Tat umgesetzt, wären 204703274037 Schüler in Deutschland an diesem Morgen nicht erschrocken vor jenem Schild gestanden, dass eine Verzögerung der Mathe-Klausur um eine halbe Stunde verkündet. Weil in dieser Zeit eine neue Klausur gedruckt werden muss. In mehreren Bundesländern standen also Lehrer ungeduldig vor dem Drucker, während sich die Schüler fragten, ob das bereits das erste schlechte Omen sein könnte.

Ich muss sagen, der Pfichtteil war vergleichsweise extrem anspruchsvoll und ich musste mich wirklich durchkämpfen, was mal mehr und mal weniger erfolgreich war. Was mich selbst extrem überraschte, war, dass ich teilweise auch aus zunächst absolut vertrackt erscheinenden Aufgaben doch immer noch etwas rausholen konnte. Meine Mathelehrerin hatte das in der Abivorbereitung mal gesagt: „Verzweifelt nicht direkt an dem Text, schlüsselt ihn auf und überlegt, was ihr gelernt habt und wie ihr das hier anwenden könntet – etwas anderes wollen sie nicht von euch.“ So realisierte ich, dass Aufgabe 3 im Pflichtteil immer eine Gleichungslösung beinhaltet, und dass die beiden Funktionen in der Aufgabe einfach gleichgesetzt werden müssen, um so eine Gleichung aufstellen zu können  – für einen Moment war ich nahezu Albert Einstein. Im nächsten allerdings eher wieder die Tabitha, die ich immer war, und immer sein werde – und die ist alles andere als ein Mathe-Genie. Sagen wir es so, der Wahlteil des Mathe-Abitur 2018 war geschaffen für diejenigen, die sich mit Mathe wirklich auskennen. Für mich diente er hauptsächlich dazu, meine Vorfreude auf die Feierei danach zu steigern. Der Moment, in dem ich meine LETZTE ABITURKLAUSUR und MEINE LETZTE MATHEKLAUSUR auf den Tisch legte, wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben. Die Erleichterung war irgendwie noch nicht so ganz da, und vielen von meinen Freunden ging es auch so: wir hatten überhaupt nicht realisiert, dass jetzt wirklich alles vorbei war.

Und ich schätze, ich habe auch bis heute noch nicht realisiert, welche NOTE zwei Monate später auf dem Zettel stand: 6 Punkte. 6 PUNKTE!! Ich hatte in der ganzen Zeit nur den Wunsch, dass es einen oder zwei Punkte geben könnte, einfach dass man sieht, dass ich etwas gelernt habe. Denn ein Punkt ist meiner Meinung nach zu schaffen, wenn man zumindest die absoluten Basics drin hat. Meine 6 Punkte sind für mich wie 15. Es war meine Standard-Note in den zwei Kursstufenjahren, auf die ich mich auch nach kleinen Abstechern in den 3-Punkte-Bereich immer wieder hochziehen konnte. In der elften Klasse habe ich einer Freundin mal erzählt: „Meine Mathelehrerin traut mir sechs Punkte im Mathe-Abi zu.“ Woraufhin meine Freundin entrüstet erwidert hatte: „Die ist ja gemein!“ Ich hatte losgelacht. „Nein, die ist einfach nur sehr nett und optimistisch!“ Aber sie hatte letztendlich Recht behalten. Ich habe in Mathe mehr geschafft, als ich es je für möglich gehalten hatte, damals in Klasse 1, als Zalix und Zaline bereits begannen, mir unsympathisch zu werden.

Ohne die richtige Lehrerin dafür hätte ich das nie geschafft. Lehrer machen allgemein so viel aus, aber darüber rede ich an einer anderen Stelle.

 

Ich bin extrem stolz auf meinen Gesamtdurchschnitt auf 1,7. Ich finde es unangebracht, direkt nach dem Abitur zu Schülern zu sagen, der Abiturschnitt sei überhaupt nichts wert. Klar braucht ihn nicht jeder für seinen Studiengang oder seine Ausbildungsstelle, aber man hat trotzdem zwei oder acht Jahre lang dafür gearbeitet, und deswegen ist er nicht nichts. Ich finde, er hat schon ein gewisses Maß an Beachtung verdient. Ich finde es ist wichtig, stolz zu sein, aber es kommt nicht darauf an, worauf. Man kann auf einen 3,9 Schnitt genauso stolz sein, wenn man ihn sich hart erarbeitet hat. Und trotzdem ist mir wichtig zu betonen: diese ganzen Noten, die ich gerade geschrieben habe, das bin sowieso nicht Ich. Wie es meine Deutsch-Lehrerin in unserer letzten Stunde absout treffend formuliert hat: „Noten sind Zahlen, und Zahlen seid ihr nicht. Ihr seid viel mehr als das, was am Ende in euren Abiturzeugnissen steht!“. 

Wir sind wirklich viel, viel mehr als das. Es ist ein Teil von uns, genauso wie die Zeit, die jetzt hinter uns liegt. Das Abitur ist nur das Ende einer unglaublichen Zeit, dem bisher wichtigsten Abschnitt unseres Lebens, dem Mikrokosmos, in dem wir gewachsen und gereift sind, für das, was danach kommt.

Abschied – ich will das noch nicht so wahrhaben, aber er ist längst erfolgt. Darüber könnte ich genauso viele Seiten schreiben wie ich es gerade über die Abiturprüfungen gemacht habe- und vermutlich werde ich das auch tun. Bis bald.

 

 

 

 

 

 

Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.