Diese Woche ist viel geschehen, das dürfte niemandem neu sein. Seit meinem letzten Eintrag bezüglich der Terror-Attacken in Paris sind viele neue Aspekte dazu gekommen. Da wäre die noch immer steigende Opferzahl, die verschiedenen Festnahmen, Schießereien und Auseinandersetzungen mit Drahtziehern der Terroranschläge von Paris.
Gleichzeitig tut sich viel in den sozialen Netzwerken, und damit meine ich nicht nur die Berichterstattungen und Liveticker diverser Seiten, sondern auch den riesengroßen Spalt zwischen Beleidsbekundungen und dem Vorwurf der Heuchelei, der sich in Social Media Seiten wie Facebook, Instagram oder Twitter auftut. Die einen ändern ihr Profilbild dank Facebooks neustem Feature in die Farben der Tricolore oder statten ihr Profil mit dem von einem Künstler entworfenen Eifelturm in der Form eines Peace-Zeichens aus, während andere sich darüber beschweren, dass an alle Opfer in Paris gedacht wird, aber nicht an die aus Beirut und den unzähligen Kriegsgebieten außerhalb der EU. Dabei gehen die Kritiker so weit, Thesen aufzustellen, dass tote Franzosen „mehr Wert“ seien als die anderer Länder. So geht es hin und her in Facebook und Co, – nur die eigentliche Sache, das eigentliche Problem, wird dabei völlig ausgeblendet.
Das eigentliche Problem ist nicht, das User A sich im Internet zu den Anschlägen äußert und User B nicht, und was davon jetzt besser ist, sondern das Problem ist, dass überall auf der Welt Menschen sterben, die leben können hätten, wäre unsere Gesellschaft nicht so verdammt verkorkst. Wenn es so weit kommt, dass sich Menschen in die Luft sprengen, und bereit sind, andere in den einst einsamen Selbstmord mit hinein zu nehmen, dann muss schon länger etwas gehörig schief gegangen sein in der Welt. Denn nur wer unzufrieden ist, beginnt, radikal zu werden.
Mal angenommen, diese tausenden von Usern würden sich eines Tages einigen, was das öffentliche Bekunden von Trauer und Bestürzung im Internet angeht. Diese Annahme ist rein hypotetisch und noch dazu relativ unwahrscheinlich, weil man sich über solche Dinge eigentlich schlichtweg nicht einig werden kann. Falls ja, falls es irgendwann einmal einen festgelegten Plan geben sollte, über welche Ereignisse wo wie getrauert werden darf, was nützt uns das dann? Bringt es Tote zurück? Verhindert es Anschläge?
Eher nicht.
Es ist mir so was wie ein Dorn im Auge, Tag für Tag Posts zu lesen, wie „In Syrien sterben tagtäglich tausende Menschen, und dann passiert so etwas in Paris und die ganze Welt ist bestürzt“, und die Kommentare darunter sind meistens auch nicht viel zielbringender. Dadurch, dass ich mich über diese ganzen Vorgänge ärgere, sitze ich eigentlich schon wieder im gleichen Boot mit diesen Menschen. Dann verbrauche ich meine Energie und meine Gedanken genau so zu etwas Sinnlosen, das uns in Zukunft nicht vor Terror und Krieg bewahren wird.
Lasst doch die Menschen bitte trauern, wie sie wollen, und um wen sie wollen. Natürlich ist es schön und wichtig, wenn sich User auch auf andere Teile der Welt beziehen, in denen sich in der Tat sehr viele, sehr schreckliche Dinge ereignen. Deutschland hat eine Meinungsfreiheit, jeder darf posten, was er will. Auch Kritik an verschiedenen Arten, mit der Trauer umzugehen.
Meiner Meinung nach wird die Sache dann kritisch, wenn wir uns darin verfangen, andere User in ihren Aktivitäten zu beurteilen, bewerten und verurteilen, denn dann verlieren wir das eigentliche Ziel aus den Augen: eine Welt ohne Terror, ohne Angst und ohne Tote, die so gerne noch gelebt hätten.
Wem es hilft, der möge sein Profilbild ändern, wem nicht, der möge es lassen. Es ist nicht leicht, in einer Zeit wie diesen den Überblick zu behalten, sachlich und vernünftig zu reagieren und sich mit wutentbrannten, kritischen und verurteilenden Posts zurückzuhalten.
Ich denke, letztendlich haben wir doch alle nur Angst vor dem, was gerade vor sich geht. Auch ich habe Angst. Ich habe vor, nächstes Jahr nach Straßburg, Shanghai, Berlin und Krakau zu gehen, und keiner dieser Orte erscheint mir in diesen Stunden, in denen Bombendrohungen Fußballspiele verhindern und Schießereien in Pariser Stadtteilen geschehen, sicher, und das macht mich traurig. Das macht uns alle traurig oder wütend oder ängstlich, und deshalb reagieren wir, wie wir es eben tun.
Vielleicht braucht es einfach seine Zeit, die eigenen Gefühle so weit einzuordnen, dass wir uns nicht mehr auf die Frage Tricolore-ja-nein-wieso-nicht konzentrieren, sondern um das, worum es geht: ein friedliches, freies Zusammenleben. Und ich kann und werde nicht aufhören, daran zu glauben, dass es irgendwann einmal wieder so weit ist.
#NousSommesUnis
Bis bald, passt auf euch auf