Sind wir die Partygeneration?

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Im Gespräch mit Eltern, Lehrern und allgemein erwachsenen Personen fällt immer wieder eines auf: unsere Generation gilt bei den vorherigen als versoffen, partysüchtig und leichtsinnig. Natürlich lässt sich das – wie alles im Leben- nicht pauschalisieren, aber ich glaube kaum, dass nicht jeder von uns Jugendlichen nicht mindestens einmal den Spruch „Die Jugend von heute hat sich nicht mehr im Griff!“ oder sowas gehört hat.

Aber sind wir wirklich so viel schlimmer als unsere Eltern und Großeltern damals?

Laut einer Statistik der Polizei liegen die Unterschiede vor allem darin, was wir trinken. Während früher hauptsächlich Bier konsumiert wurde – auch von Frauen – gibt es heute ein buntes Allerlei an Mischgetränken. Egal ob Ficken-Fanta, Wodka-Maracuja oder Bacardi-Cola, Spirituosen stehen bei Festern hoch im Kurs. Natürlich ist das Volumenprozent hier viel höher als beim Bier. Außerdem ist das Zeug supersüß und geht runter wie Wasser. Dadurch entstand der Vorwurf, dass wir gar nicht merken, wie viel wir wirklich konsumieren. Dass das leider wirklich ein Problem ist, zeigen zahlreiche Einlieferungen ins Krankenhaus. Ein besonderes Problem ist das Mischgetränk Wodka-Bull, denn das Zusammenwirken von Koffein und Alkohol verläuft nicht immer optimal.

Dem steht aber gegenüber, dass der Umgang mit Alkohol vor allem auf Erfahrungswerte basiert, nicht auf die Volumenprozent-Angabe. Jeder Mensch verträgt unterschiedlich viel Alkohol. Wie viel wir trinken können, bis es genug ist, kann uns vorher niemand sagen, dass muss man wohl oder übel ausprobieren. Ich sage nicht, dass man es einmal im Leben so übertreiben muss, dass man kotzend – sorry- über der Kloschüssel hängen muss, aber wer nie an seine Grenzen geht, kennt sie eben auch nicht. In unserem Alter beginnen wir, erwachsen und selbstständig zu werden. Wir brauchen Erfahrungen, Freiraum und Vertrauen – nicht Kontrolle und eine Berechnung von Millilitern, die wir in uns reinschütten dürfen.

Unabhängig davon was wir trinken, trinken wir laut den Erwachsenen davon viel zu viel. Das hängt zum einen mit den bereits erwähnten süßen Mischgetränken zusammen, aber auch mit dem Druck, der während Festern auf uns wirkt, angeblich zumindest. Besorgte Eltern denken an den Gruppenzwang. Leider glauben viele Jugendliche, sich beweisen zu müssen, indem sie genau so viel trinken wie alle anderen. Verstärkt wird das durch Trinkspiele wie „The Circle“, bei denen man nunmal mitmacht, und dann auch mal zum Trinken gezwungen wird. Viele Erwachsene schätzen die Situation auf Festern so ein, dass diejenigen, die weniger trinken, von den anderen automatisch als „schwächer“ eingeschätzt werden.

Gestern Abend habe ich den Test gemacht. Eigentlich weniger für diesen Beitrag, als weil ich mir vorgenommen habe, während der Fastenzeit mal ausnahmsweise keinen Alkohol zu trinken. Im Nachbarort war ein Fest, meine Freundinnen und ich wollten zusammen hingehen. Ich habe mich dem Druck also ganz bewusst ausgesetzt. Erstes Hindernis: Vorglühen bei einer Freundin. Wobei ich sagen muss, dass das eigentlich noch das kleinste Problem war. Meine Freundinnen wussten ja alle, dass ich „faste“ und nichts trinke, sodass es keinerlei blöde Sprüche oder sonst was gab. Ich hab mein Fanta getrunken und den Alkohol eigentlich auch gar nicht vermisst. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich Alkohol für mich allgemein nicht als Stimmungsheller ansehe. Schwieriger war es, als wir auf das Fest gekommen sind, wo alle anderen schon gut drauf waren und meine Freundinnen zum ersten Mal zur Bar gelaufen sind. Ich denke es wäre einfacher gewesen, wenn ich einen Becher in der Hand gehabt hätte. Ohne habe ich automatisch meine Hände verschränkt und so sah jeder sofort: die trinkt heute nix. Dann ging es natürlich los mit den Sprüchen, so von wenigen, warum trinkst du denn nichts, was ist mit dir los, komm nehm einen Schluck von mir und so weiter. Zum Glück bin ich vom Charakter her so gefestigt, dass ich einfach erwidern konnte: „Nein danke, ich faste!“ Es kommt natürlich darauf an, mit wem ich spreche. Meine Freunde dürfen sowas ruhig hören, Leute, die ich weniger kenne, bekommen eher so die Sparversion, „Danke, heute nicht!“.

Ansonsten verlief mein Abend ohne Zwischenfälle. Wirklich, es ist nicht so schwer, wie man immer denkt, zumindest nicht, wenn man ein gewisses Grad an Selbstbewusstsein hat, und es sich fest vorgenommen hat, nüchtern zu bleiben. Es war auch nicht so, dass nach und nach alle um mich herum total gut drauf geworden sind und ich mich gelangweilt habe. Die Stimmung ist ansteckend, egal ob man jetzt getrunken hat oder nicht.

Eigentlich war es sogar relativ entspannend. Ich musste nicht darüber nachdenken, ob ich vorher genug gegessen habe, musste kein Geld ausgeben und bin heute morgen topfit aufgewacht.

Was ich damit sagen will: mit einem gewissen Grad an Selbstbewusstsein, Willensstärke und Verantwortung schafft man es locker, wenig oder gar nichts zu trinken. Die einen schaffen das früher, die anderen später, aber im Laufe unserer Jugend klappt das. Hundertpro.

Ein letztes Argument der Erwachsenen ist, dass heutzutage nicht nur mehr getrunken wird, sondern auch häufiger. Und ja gut- richtig von der Hand weisen kann ich das nicht. Das Jahr beginnt mit Fasnet, ganz klar. Jedes Wochenende ist wo anders Umzug, und spätestens bei der Hauptfasnet gibt es kein Pardon mehr. Es folgt eine Phase mit diversen Bad-Taste-Feiern, Abipartys und Jubiläumsfesten. Ab Sommer kommen dann gefühlt 23793 Elferturniere, Grillpartys und Sommerfeste. Ich gehe gerne dahin, weil man meistens die halbe Schule trifft, und es einfach Spaß macht. Ab Herbst gibt es Halloween, Dirndl- und wieder Abipartys. Und im Winter? Den Weihnachtsmarkt. Zugegeben, das ist wirklich eine ziemlich engmaschige Geschichte. Trotzdem fällt es mir schwer zu glauben, dass das früher so viel anders war.

Was mich auch irgendwie nervt, sind diese Bilder in sozialen Netzwerken, auf denen steht: Feier dich, wenn du am Samstag abend daheim bist, anstatt feiern zu gehen!

Hää? Ich meine klar, es ist vollkommen ok, wenn man nicht der Partytyp ist und Samstags oder Freitags nicht gerne raus geht um zu feiern, aber was spricht denn dagegen? Wenn man den Alkohol und seine Nebenwirkungen mal rauslässt, wieso soll es denn ein Verbrechen sein, wenn man nach einer anstrengenden Woche feiern geht? Ich versuche wirklich, in die Köpfe dieser Leute reinzusehen, aber irgendwie gelingt es mir nur so teilweise. Es kommt vielleicht auch darauf an, ob man zuhause vielleicht etwas sinnvolleres macht. Zeit mit Partner oder Kinder zu verbringen, zu lernen oder aufzuräumen ist natürlich sehr viel sinnvoller, als feiern zu gehen, aber wenn man nur auf dem Sofa sitzt kommt es doch auf das Gleiche heraus oder?

Ich denke, wenn es um Party machen geht, ist der Zauberspruch: Leben und leben lassen.

Jeder ist für sich selbstverantwortlich, wir alle müssen das lernen, aber es ist meiner Meinung nach falsch, unsere Generation direkt in die Schublade der Säufer zu stecken. Das sorgt letztendlich nur für Provokation.

In dem Sinne, noch ein schönes Wochenende 😉

 

 

Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.