Letztes Wochenende war die Rollenverteilung bei uns auf den Kopf gestellt. Während ich noch im weichen, warmen Bett lag und das Spanischlernen getrost auf später verschob, bereitete sich meine Mutter voller Vorfreude auf ihren Tag in der Schule vor. Meine Mutter. In meiner Schule.
Dort wo ich momentan noch an Chemie verzweifle und das mehr oder weniger genießbare Mensaessen verspeise, haben vor Jahren auch meine Eltern Abitur gemacht. An diesem Wochenende hat sich meine Mutter mit ihrem Jahrgang in der Schule wieder getroffen. Anders als sie, die regelmäßig die Elternabende von mir und meinen Geschwistern besucht, haben manche diese Schule seit dem Abitur nicht mehr gesehen. Sie haben von unserem Schulleiter eine Führung bekommen und Kaffee und Kuchen in der Aula abgehalten, in der sie früher ihre Pausenbrote gegessen haben. Nicht nur die Schule, auch sich gegenseitig haben sie teilweise Jahrzehnte nicht mehr gesehen.
Ich bin gerade so umgeben von der Schule und meinen Mitschülern, sie nimmt gefühlt mein ganzes Leben ein. Ich weiß, dass das enden wird, in acht Monaten schon, aber ich kann es absolut nicht realisieren. Wie soll das, was für mich acht Jahre lang Alltag war, einfach zu Ende sein? Wie geht es, dass Menschen mit denen ich im Moment alle kleinen und großen Nöte des Schullebens teile, in ein paar Jahren Fremde sein werden? Ich mache mir nichts vor, ich weiß dass nach dem Abitur jeder seinen Weg geht.
Wenn mir meine Eltern von den besten Zeiten ihres Lebens erzählen, reden sie sehr häufig vom Studium, nicht von der Oberstufe. Dass da noch was Besseres kommt als das hier- das kann ich mir im Moment noch kaum vorstellen. Wie oft passiert es dir im Leben, dass unter 80 Menschen mit denen man lediglich das Geburtsjahr teilt so viele Leute sind, mit denen man buchstäblich Pferde stehlen könnte? Mit denen man ohne Zögern in eine WG ziehen würde, auch wenn diese zu hundert Prozent im Chaos verschwinden würde? Obwohl der Unterricht so quälend sein kann und schlechte Noten außerordentlich gut darin sind, einem den Tag zu vermiesen, stehe ich jeden Morgen mit einem Lächeln auf und gehe auch meistens damit ins Bett. Wir sind unsere eigene kleine (80köpfige) Gang, mit manchen hat man mehr und mit manchen weniger zu tun. Das ist heile Welt. Wir haben ja keine Ahnung, was da draußen auf uns wartet. Und jetzt gerade, am 27. Oktober 2017, will ich das auch noch gar nicht wissen. Jetzt will ich gerad nichts mehr als das, was ich noch habe, und das weiß ich zu schätzen.
Trotzdem darf ich mit so einer Vorstellung natürlich keinenfalls in mein Leben nach dem Abitur starten. Obwohl wir gerade im Klausuren- und schon bald im Abistress versinken, und ich die Schule in jeder Mathestunde ganz weit weg wünsche, versuche ich das alles zu genießen, bevor es verschwindet. Jeden Schultag, jeden der 18er, Freistunden, Mittagspausen- tomorror, these will be the good old days.
Notiz an mich selbst: reg dich nicht über Mathe auf – denn die Zeit danach wird viel schwieriger als Stochastik und Integralrechnung.
Und in 20 oder 30 Jahren hoffe ich, dass, wo immer ich dann bin, auch ich mich voller Vorfreude aufmache, in mein altes Gymnasium, in dem ich einst eine der besten Zeiten meines Leben verbracht habe.