
1 Jahr. 365 Tage. Je nachdem wie man es sieht ist das eine lange oder kurze Zeitspanne, in der viel oder wenig passieren kann, die uns gleichbleiben oder zu einem anderen Menschen werden lässt.
365 Tage können problemlos vergehen, ohne Erinnerungen auszulöschen oder weniger präsent zu machen, habe ich festgestellt, als ich am 23.März aufgewacht bin. Ein ganzes Jahr ist es jetzt her, dass ich in China war. Seitdem wimmelt es in meinem Leben, in meinem Herz, in meinem Magen (:P) Und auf diesem Blog nur so von Erfahrungen, Erlebnissen und Erkenntnissen die ich dort gesammelt habe. Auch die vielen Bilder, die dort entstanden sind, finden sich bei mir in Instagram, als Laptop-Hintergrund und Facebook-Profilbild wieder – ich habe es immer noch nicht über mich gebracht, es zu ändern. Manchmal habe ich den Eindruck, ich rede immer noch viel zu oft davon und sicher sind schon alle genervt, auch die Leser dieses Blogs, die sich fragen: hat sie vielleicht auch noch andere Themen als das Leben in der Oberstufe und ihre zehntägige China-Reise? Das ist alles sehr verständlich. Ich wünschte auch, meine Inhalte wären etwas vielfältiger aber ich hoffe das werden sie, wenn bald mal wieder andere, spannende Dinge passieren. Bis dahin kann ich nur sagen, dieser Blog spiegelt einfach wieder was mich am meisten prägt und beschäftigt, und heute soll es noch einmal um die Entfernung und die Macht der Erinnerung gehen.
Die Macht der Erinnerung ist so eine Sache, und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Collect memories, not things ist einer meiner Lieblingssprüche und es ist ja eigentlich auch logisch, dass man am Besten so viele Erinnerungen wie möglich sammeln sollte. Aber was kaum einer, allen voran ich, bedenkt, ist dass Erinnerungen auch weh tun können, egal wie positiv sie sind. Heute vor einem Jahr um die Zeit… habe ich am 23. März mehrmals gedacht, und das war nicht immer ein schöner Gedanke. Es hindert einen daran, im Hier und Jetzt zu leben, das schließlich mindestens genau so viel Aufmerksamkeit verdient hat, wie die Vergangenheit.
Der Gegner des Erinnerns ist das Vergessen, und was das angeht bin ich auch nicht wirklich schlauer. Ist es erschreckend oder tröstlich, dass die Zeit alle Wunden heilt und von dem Schmerz von damals nichts mehr übrig bleibt? Ist das zerstörend oder stärkend, dass ein Mensch niemals in der Lage sein kann, unser ganzes Herz zu brechen, weil ein kleines Stück immer übrig bleibt, so lange wir leben?
Ist es traurig oder schön, dass wir Menschen zwar im Herz, aber nicht in unserem Leben behalten können, und dass sie nur all zu oft, wenn sie unser Leben verlassen, früher oder später auch aus unserem Herz verschwinden, was wir uns oft gewünscht, aber nie wirklich gewollt haben?
Manchmal denken wir einfach viel zu viel. Und wenn wir uns selbst dabei erwischen denken wir direkt an einen Ortswechsel, schieben alles auf die Situation in der wir stecken und geben uns ihr machtlos hin, im Glaube, nichts dagegen ändern zu können. Doch das stimmt nur all zu oft überhaupt nicht. Natürlich hat nicht jeder Tag die Chance, der schönste unseres Lebens zu werden, aber er hat die Chance, uns dem schönsten Tag unseres Lebens näher zu bringen. Und zwar unabhängig davon, wo wir sind.
Ich bin immer noch reisesüchtig, will endlich wieder weg, vermisse die Ferne Chinas wie verrückt. Aber als ich an diesem 23. März im Bus saß, mein neues Lieblingslied hörte, die Scheiben waren beschlagen und dahinter traf blassblauer Himmel auf langsam grünende Wiesen. Und mir wurde mit einem Schlag klar, die Welt ist schön, egal wo du bist, so lange du glücklich dort bist. Und du wirst glücklicher, je mehr du kennenlernst von diesem Planeten, je mehr Menschen du triffst, je stärker du festhälst am Leben, an diesen kleinen Selbstverständlichkeiten, die ganz und gar nicht selbstverständlich sind. Zuhause ist da wo deine Freunde sind singt Adel Tawil, richtig denke ich, während ich mit den anderen im Kunstsaal sitze und an etwas herumsäbele dass irgendwann mal eine aussagekräftige Gipsfigur werden soll. Was bei mir wohl niemals der Fall sein wird, wie mir meine Mitschüler freundlich mitteilen, worauf ich erwidere, dass die fehlende Illusion wohl bald wie ein Blitzschlag mein Hirn erleuchten wird, und dann lachen wir alle und ich denke: könnte es irgendwo besser sein als hier? Nein, und das weiß ich, weil ich schon wo anders war, aber ich weiß, jetzt gerade will ich da nicht sein, jetzt will ich genau hier sein und genau das sollten wir uns eigentlich immer denken. Und wenn wir in Situationen sind, die wir gerne fluchtartig verlassen würden, bleibt uns immer noch das Wissen, dass das alles temporär ist und wir früher oder später wieder woanders sind, wo wir uns absolut wohl fühlen. Egal ob das zuhause ist oder Timbuktu.
Am 23. März 2016 saß ich in einem Flugzeug Richtung Istanbul und Shanghai.
Am 23. März 2017 stand ich mit meinen besten Freunden auf dem Fußballplatz.
Und ich hätte glücklicher nicht sein können.
What a difference a year can make…