Roadtrip an den Bodensee

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Hate you if you love a car for it´s paint job

love you if you love a car for the road trips!

– watsky

Samstagmittag, glühende Hitze und ich sitze wieder mal am Busbahnhof, warte auf einen Bus der zu lange braucht und der nur erste Station ist, auf unserem ganz eigenen Roadtrip, denn mit dem Auto fahren kann ja jeder. Mein liebstes Cousinchen und ich dagegen fahren mit dem Bus in die Kreisstadt, von wo aus stündlich ein Bus nach Überlingen fährt. Die beste Erfindung überhaupt!! Was wir schon wieder am Bodensee wollen? Fragt mich nicht wie das zustande gekommen ist, aber an irgendeinem Punkt hieß es: wir gehen aufs Konstanzer Seenachtfest, und zwar mit den Leuten vom Weltjugendtag, die praktischer Weise alle am Bodensee residieren. Viel mehr wusste ich auch nicht zu dem Zeitpunkt – aber gut, Überraschung kann ja auch nicht schaden.

Von Sigmaringen bis Überlingen sind es mit dem Bus vielleicht 50 Minuten, aber man kommt an und alles sieht anders aus. Es war der perfekte Sommertag, und natürlich mussten wir in der einstündigen Umsteigzeit mal wieder bei der Eisdiele unseres Vertrauens vorbei schauen. Nur um festzustellen: es schmeckt immer noch p-e-r-f-e-k-t.

eisdiele

Wer das Bild wieder erkennt: ja zugegeben, das habe ich schon mal gepostet, nämlich beim Beitrag zur Reise der Begegnungen.

Dieses Mal blieben wir aber nicht in Überlingen, sondern es ging weiter Richtung Singen. Wie sich das gehört, und wie wir es von Krakau mittler Weile gewohnt sind in einem komplett überfüllten Zug. Es war so voll, dass wir nicht einmal mehr stehend Platz in der zweiten Klasse gefunden haben. „Setzt euch einfach!“ rieten uns zwei Frauen, als wir ratlos im Gang der ersten Klasse standen. „Hier ist es ja nicht voll und ihr könnt ja nichts dafür, wenn in der zweiten Klasse alles voll ist!“ Das klang einleuchtend, und wir wollten uns gerade in einen Vierer setzen, da tat sich ein kleines Problem auf. Das Problem war ein älterer Herr, der genau einen Platz des Vierers bevölkerte, dies aber wohl gerne so belassen hätte. „Wenn ihr keine Tickets für die erste Klasse habt, habt ihr dort auch nichts zu suchen!“ informierte er uns in einem Ton, der so ziemlich null Widerspruch duldet. Sein Gesicht sprach ebenfalls Bände: ich will euch hier nicht!! Ich würde gerne behaupten dass ich mich in diesem Moment in eine schüchterne oder zumindest weise schweigende Teenagerin verwandelt habe, aber leider entschied sich mein Inneres für die andere Variante: die Rebellin. „Ob wir jetzt im Gang der ersten Klasse sitzen oder stehen spielt doch auch keine Rolle mehr oder?“ Was zugegebenermaßen nicht das beste Argument war, aber mein einziger Einfall.

Was mich so gestört hat war nicht einmal unbedingt seine schlechte Laune oder dass er uns den Platz nicht geben wollte, aber ich kann es einfach nicht leiden wenn wir anders behandelt werden nur weil wir junge Mädchen sind, mit denen man ja alles machen kann. Die Frauen hatten genauso wenig Tickets für die erste Klasse, aber zu ihnen hat er nichts gesagt, vermutlich weil sie erwachsen sind und damit mehr Respekt verdient haben – so zumindest aus der Sicht mancher Menschen. Das war in Berlin schon so, als wir im Klo der Mall of Berlin ermahnt wurden Geld dafür zu zahlen, während die beiden Männer vor uns anstandlos durchgelassen wurden. Wahrscheinlich sehen wir so aus als könnten wir uns nicht wehren, aber naja, meinen Dickkopf erkennt man wohl nicht sofort.

Zum Glück waren aber auch die Frauen vollstens auf unserer Seite und haben begonnen, mit dem älteren Herrn zu diskutieren. Dabei waren sie derart absolut und überzeugend, dass er es relativ schnell aufgeben hat, auf seinen Großraumvierer zu bestehen. So saßen wir ganz deluxe in der ersten Klasse und genossen den einzigartigen Ausblick auf den glitzernden Bodensee, an dem der Zug vorbeibrauste.

Übrigens: weil zwischenzeitlich der Schaffner kam mussten wir dann doch noch in die zweite Klasse ziehen. Dort war es zwar knalleng, aber die Stimmung war tausendmal besser. Mit uns war eine Gruppe von Männern mittleren Alters im Alter, ein Fischerverein oder sowas, und sie riefen uns lachend zu: „Geht ruhig wieder in die erste Klasse, die werden euch schon nicht den Kopf abreißen und hier ist es wirklich viel zu eng!“ Da hat man den Unterschied: diese Männer hatten auch nicht viel mehr Platz, aber ganz offensichtlich tausend Mal mehr Zufriedenheit in ihrem Leben.

Deswegen habe ich mit diesem Mann von der ersten Klasse eigentlich nur noch Mitleid: ich hoffe er hatte nur einen schlechten Tag und rennt nicht immer mit so einer verdrießlichen Miene durch sein Leben!

So waren wir gottfroh, als der Zug in Singen am Bahnhof hielt und Nikolas schon grinsend auf uns wartete (Nikolas ist so alt wie wir, war mit uns in Krakau und hat uns abgeholt, für den Fall dass wir armen Schwaben uns in Singen verlaufen 😀 ) Es ist echt mega cool, dass wir uns so schnell wiedergesehen haben, die Zeit nach Krakau war sowieso schon total ätzend, weil man die ganzen Leute nicht mehr gesehen hat. Nikolas´ Mutter chauffierte uns bis in die Weltstadt Riedheim, wo wir übernachten würden. Eine Gartenlaube sollte man haben, sowas ist echt perfekt für lange Sommernächte. Wir unterstützten Nikolas tatkräftig beim Aufpumpen der Luftmatraze wobei ich lernte, dass man die Luftpumpe NICHT auf einen Tisch stellen kann zum Pumpen 😀 Ich Schlaukopf…

Nach einer Weile kamen die anderen 3, und es gab ein cooles Wiedersehen, auch wenn die armen armen Badner wahrscheinlich schon nach 5 Minuten wieder genug von unserem Schwäbisch hatten 😀 Nach circa 3 stündigen Diskussionen, was wir jetzt eigentlich machen sollten, zogen wir zu sechst los zum Bahnhof. Auf nach Konstanz!!

Dieses Mal war der Zug erstaunlich leer, aber wir wären nicht wir wenn es nicht auch dieses Mal ein perfektes Drama gegeben hätte. Meinem liebsten Cousinchen fiel nämlich nach circa 10 Minuten Fahrt ein, dass sie ihren Ausweis bei Nikolas vergessen hatte. So verbrachten wir den Rest der Zugfahrt damit, ihr eine neue Identität zu erschaffen, mit der sie es eventuell schaffen könnte, durch die Security-Kontrolle zu kommen.

Was letztendlich richtig unnötig war. Die Security kontrollierte uns zwar auf gefährliche Gegenstände an Körper und Tasche, wollte von unserem Ausweis aber nichts wissen. Ich meine wir waren ja alle mindestens 16, illegal war also niemand da, aber versucht mal, das der Security auf manchen Festern klar zu machen, ohne Ausweis geht da gar nichts. Übrigens waren wir die letzten, die Eintrittsbändchen bekommen haben, danach waren sie leer, und ich würde mal sagen GLÜCK GEHABT!!!

Inmitten des größten Gedränges verfolgten wir das große Seefeuerwerk, erst das Deutsche dann das Schweizerische. Die Herausforderung dabei: nicht an das ganze Geld denken, dass da hochgefeuert wird, sondern die bunten Farben genießen so gut es geht 🙂

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Nach dem Feuerwerk waren wir noch eine Weile bei der Musik, dann fuhren wir zurück nach Riedheim City, wo die eigentliche Partynacht begann. Aber nicht mit leerem Magen, das ginge ja mal gar nicht, also fand ich mich nachts um eins in einem Gemüsegarten wieder, wo ich brav Zuccini, Tomaten und andere diverse Dinge erntete. Welcome to the life of a vegetarian! Die Ernterei hat sich aber gelohnt, es schmeckte wirklich gut und ich konnte meinen knurrenden Magen befriedigen. Was will man mehr? 😉

Nichts- außer vielleicht selbstgemachten Erdbeerlimes und die besten Leute um sich herum. Wir lästerten, analysierten und lachten, als wären wir nie nicht- zusammen gewesen. Irgendwann erzählten uns die Riedheimer Geschichten über diverse Spukhäuser, und um das Leben der Badner aufs Vollste kennenzulernen, mussten wir diese dann auch gleich besichtigen. Zwischenzeitlich ertönten irgendwelche Katzenschreie, was uns sofort wieder an die gruseligste Zugfahrt überhaupt erinnerte (Krakau Memories <3 ). Diese Umstände hielten uns aber nicht davon ab, uns auf den aufgeheizten Asphalt zu legen und das unglaubliche Sternenfirmament zu beobachten. In dieser Nacht zählte ich 9 Sternschnuppen, so viele dass mir irgendwann die Wünsche ausgingen und ich einfach nur noch glücklich vor mich hinlag. Wer eine Sternschnuppe entdeckte war jedes Mal der Star, und mindestens zwei andere kreischten: „Man, warum hab ich sie nicht gesehen!!!“

Keine Ahnung ob uns jemand beobachtet hat, ich hoffe nicht, aber zumindest hat niemand das Irrenhaus angerufen und gefragt ob sie eventuell jemanden vermissen. Das ist doch schon mal beruhigend. Keine Ahnung wann wir eingeschlafen sind- also in der Gartenlaube nicht auf der Straße!!- aber irgendwann war es heller Morgen.

Zum Frühstück gab es absolut delikates Spiegelei auf dem Grill zubereitet. Danach musste leider ein Teil unserer Gruppe gehen, und es blieben nur noch 4. Wir vier sehnten uns nach See und Sonne, sodass wir (nach weiteren zwei Stunden Diskussion) im Auto Richtung See saßen und vermutlich alle anderen Verkehrsteilnehmer komplett verschreckten mit unserer laut aufgedrehten Musik. Die Hymne dieses Wochenendes findet ihr auch nochmal ganz am Ende dieses Blogposts.

Da müsste Musik sein, wo auch immer du bist,

und wenn es am Schönsten ist, spiel es wieder und wieder…

– Wincent Weiss

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*Zwischenstopp am Kloster Birnau, wo die Aussicht perfekt ist und unser Selfiestab zum Einsatz kam! *

Wir ließen uns weiter treiben, bis wir irgendwann in Meersburg strandeten. Diese Stadt würde ich jedem empfehlen, der den Bodensee bereist. Zwei Tipps von erfahrenen Touris: 1. im Bibelmuseum gibt es ein exzellentes Klo und

2. einen Besuch bei der Pizzeria Trattoria solltet ihr lieber sein lassen. Das klingt jetzt echt gemein, und wir waren ja auch nur dieses eine Mal da, aber wir warteten eine geschlagene Stunde auf unsere Pizza, obwohl sich in der Pizzeria circa 3 Gäste befanden, und nur weil der Chef den Auftrag angeblich „überhört“ hatte. Auch auf das Zahlen mussten wir weitere 10 Minuten warten, und da wir zu diesem Zeitpunkt alle schon fast im Hungerkoma waren war diese Wartezeit wirklich nicht besonders toll. Aber hey, andererseits gibt es viel schlimmere Dinge und man muss sagen, schlecht hat die Pizza wirklich nicht geschmeckt 🙂

Die letzte ( und längste) Herausforderung des Tages war, nach Hause zu kommen. Eeeendlich lernten die armen Badner die schöne schwäbische Alb kennen, und wie sie das taten, wir verfuhren uns nämlich circa 8373646 Mal und hatten in Sigmaringen ein komplettes Blackout, wie es denn bitteschön weitergehen sollte. Letztendlich sind wir aber heil angekommen und die beiden Herren aus Baden werden irgendwann auch noch kapieren, dass die Schwäbische Alb ein wundervoller Ort ist. Und dass hier NICHT alles gleich aussieht!!! 😛

Das war also unser ganz spezieller Roadtrip, ich würde mal sagen das hat definitiv Wiederholungsbedarf und Leute, vergesst nie: BACARDI AM MORGEN VERTREIBT KUMMER UND SORGEN 😉

Ich breche jetzt erstmal auf nach Italien ins Paradies, ich wünsche euch schöne Tage und melde mich spätestens in drei Tagen mit ersten Strandbildern – sorry 😛

Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.