Isole eolie, sto viceversa! | Vier Wochen auf einem Vulkan

Kategorien Reiseatlas

No man is an island

no one should be on their own

look at the horizon

cause love always takes you home 

THE SCRIPT


Es war Samstagmorgen, halb fünf, als ich ohne erkennbaren Grund wach wurde. Um mich herum war noch alles dunkel, aber ich fühlte mich vor allem hell. Hell und so geborgen, in dem Bett, das seit vier Jahren an der gleichen Stelle steht. Geborgen in meinem Leben, das in einer geraden Linie verlaufen ist, seit ich denken kann. In dem Menschen die Hauptrolle spielen, die immer schon da waren. „Arrividerci.“flüsterte ich.

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Als das Tragflügelboot im Hafen von Stromboli einlief, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt. Die des nächsten Tages. Ich hatte 21 Stunden in drei verschiedenen Fernbus sein verbracht, zwei am nächtlichen Bahnhof von Verona, weitere zwei in Rom Tiburtina, drei im Hafen von Neapel und vier auf einem Boot, das für meinen Geschmack ein bisschen zu viel geschwankt hatte.

Jetzt stand ich hier, alleine auf dem überfüllten Landungsplatz einer Vulkaninsel. Ich war alleine, heute, morgen, und die nächsten fünf Wochen.

Meine Entscheidung, alleine sein zu werden, habe ich im Januar getroffen. Ich schiebe es auf den Schnee, der zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr aufhören wollte zu fallen, auf das wie eine dunkle Wolke nahende Abitur und natürlich auf diesen Zeitungsartikel, in dem ich zum ersten Mal von zis Reisen las.

Reise zu einem Thema Deiner Wahl, für vier Wochen, mit sechshundert Euro und dir selbst. Nimm kein Flugzeug, aber auf jeden Fall ein Tagebuch, und denke daran :es ist eine Reise zu Menschen.

Ich habe nie wirklich aufgehört, an die Liparischen Inseln zu denken. Ich hatte die schönsten zehn Tage meines Lebens dort, wenn ich die Wahl habe, wieso sollte ich nicht dorthin zurückkehren?  Warum nicht über die Perspektiven und das Leben von Jugendlichen schreiben, mit denen ich mich auf gewisse Weise identifizieren kann, weil ich mich selber manchmal fühle, als würde ich auf einen Insel leben, die sich mein Dorf nennt? Ich schrieb meine Bewerbung für zis und scheiterte fast daran, ein günstiges Reisekonzept aufzustellen. Auf Inseln die vom Tourismus leben – Wer bietet dir dort schon ein kostenloses Bett an? Ich wollte aufgeben, und wurde von Frust und Enttäuschung so überrollt, dass mir klar wurde :ich meine es ernst. Ich will das.

Da fiel mir der Vulkanführer wieder ein, mit dem wir damals auf dem Ätna und Stromboli waren. In einer Email erklärte ich ihm mein Anliegen, und er schrieb zurück, eine Liste voll mit potentiellen Gastgebern und Kontaktpersonen im Attachment.

Bei einer Person von dieser Liste stand ich dann vor der blau gestrichenen Türe auf Stromboli . Von der anderen Seite her bellte mir ein Hund entgegen und alles was ich dachte war: Kann ich nicht einfach wieder gehen? Den berühmten „Abbruch“ – Knopf hätte ich in diesen Sekunden sofort gedrückt.

Das ist jetzt zwei Tage her. Seitdem lebe ich im Casa Barbara auf Stromboli, kostenlos gegen Mithilfe im Haushalt. Ich teile mir mein Zimmer mit der Hausbesitzerin, aber hier ist man nur zum Schlafen im Zimmer, sonst nicht.

Im Casa Barbara ist immer etwas los. Es gibt hier drei Kinder, darunter ein Gastkind, eine Hündin mit acht Welpen und fünf Katzen, von denen ich eine innig liebe und mit dem Namen Ophelia getauft habe.

An meinem ersten Morgen sind wir mit dem Boot nach Strombolicchio gefahren, einem Felsen im Meer, der auch als die kleine Schwester von Stromboli bezeichnet wird. Dort bin ich ins Wasser gesprungen, das an dieser Stelle die Farbe eines tiefen Blau hat. Wenn man den Bodensee gewohnt ist oder das grüne Meer der Adria gerät man bei dem Anblick durchgehend in Ekstase.

Danach ging es weiter nach Ginostra, ein Dorf auf der anderen Seite des Vulkans. Wir sind dort im kleinsten Hafen der Welt eingelaufen.

Die Autos in Ginostra : selbst meine Lydia in Deutschland ist ein Riese dagegen!

Eigentlich bin ich ja nicht hier, um baden zu gehen und mit den Kindern des Hauses zu spielen. Diese Dinge stellen eine angenehme Abwechslung dar, zu den Recherchen, mit denen ich heute begonnen habe. Über Instagram habe ich eine Gruppe an Jugendlichen namens ilmoroeolie kennengelernt, mit der ich mich in Lipari verabredet habe. Finde den Fehler : Lipari ist nicht Stromboli. Lipari ist mit dem Tragflügelboot eineinhalb Stunden und neunzehn Euro entfernt. Bei einem Budget so gering wie das der zis Reise tut das schon weh. Ich hatte auch meinen „deutschen Moment“, als ich um 08:33 Uhr panisch dem italienischen Mädchen geschrieben habe, dass die Fähre für 08:35 noch nicht am Horizont zu sehen war. „Hahaha“ schrieb sie nur, „Welcome to Italy!“ Als das Boot von Liberty Lines um kurz vor neun Uhr am Horizont auftauchte, schüttelte ich grinsend den Kopf. Was hatte ich geglaubt, als ich hier her gekommen war?

Ich hatte einen verdammt schönen Tag in Lipari. Maria Fernanda war ein Engel auf Erden – sie hat mir so viel erzählt und so viele Nummern gegeben, dass mir der Kopf schwirrte. Nebenbei lud sie mich zu einem typisch äolische Frühstück ein: Granita de cioccolata e brioche. So hatte ich kurz nach meinem deutschen auch schon meinen italienischen Moment:als ich die erste Granita des Jahres trank! (Es gibt nichts, was ich seit meiner Rückkehr 2017 mehr an den Inseln vermisst habe!)

Später besuchten wir einen Mann, der die Geschichte der Inseln in einem fünfzehn minütigen Vortrag zusammenfassen konnte, und die Bibliothek von Lipari Stadt. Beide, der Mann und die Bibliothekarin, waren extrem bemüht, mir bei meinem Thema zu helfen. Wir fuhren auch noch nach Canneto, dem Dorf in dem wir 2017 gewohnt hatten. Was soll ich sagen, in diesem Moment vermisste ich meine Freunde verdammt. An euch :ich vermisse euch! Ich vermisse es, mit euch an diesem Strand zu stehen!

Aber es war trotzdem ein so schöner Tag.

 

Später saß ich noch am schwarzen Strand von Stromboli und schrieb mein Reisetagebuch für zis. Und den Anfang dieses Textes, der nichts mehr sein soll als eine kurze Bestandsaufnahme, für alle die sich fragen was ich da unten eigentlich treibe.

Die Antwort ist : ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, was ich morgen mache. Wie lange ich noch auf Stromboli bin. Wie ich die Nacht meines 19. Geburtstags verbringen werde. On the road to who knows where – und das noch bis zum 06. Oktober. Mir geht es wirklich gut dabei, ich genieße das Abenteuer und das Gefühl, Tag für Tag an meine Grenzen zu stoßen. Denn das tue ich – heute zum Beispiel musste ich zum Metzger gehen und 3 Kilo Hühnchen für die Hündin Atilla bestellen. Wer mich kennt, weiß dass die Metzgerei für mich ein wilder Ort außerhalb meiner comfort zone ist. Die italienische Sprachbarriere kommt dann noch dazu. Aber :ich habe es geschafft.

Ich habe auf jeden Fall Angst, dass mich eines Tages das Heimweh einholt. Das hier ist erst Tag Vier von 36, und es werden Tage kommen, an denen es mir nicht so gut geht wie jetzt. Aber dass ich die Anreise voller Zweifel und die ersten Tage hinter mir habe, ist schon mal ein großer Schritt.

Ich werde von mir hören lassen, mit Grüßen vom Land der Sonne und von den Inseln des Windes ☀️🌋

Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.