1 Woche Weltjugendtag in Krakau

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Bevor ich irgendetwas sage.

Bevor ich anfange, irgendetwas zu erzählen, bevor ich auch nur ein Bild einfüge oder in endlose Schwärmereien gerate.

Schaut euch dieses Video an, bestenfalls mit Ton. Danke 🙂

 

Das was ihr gesehen und gehört habt, den Jubel, die Ausgelassenheit, die Partystimmung, das war kein Festival, keine Fußballmeisterschaft und kein Konzert von einem Star, obwohl die Bilder an genau diese Dinge erinnern. Das, ihr Lieben, war der Weltjugendtag 2016. Und was jetzt folgt, das ist der Versuch, ihn in Worte zu fassen.

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So bitten wir nun alle gemeinsam den Herrn: Stürze uns ins Abenteuer der Barmherzigkeit! Stürze uns in das Abenteuer, Brücken zu bauen und Mauern (Einzäunungen und Gitternetze) niederzureißen, stürze uns in das Abenteuer, dem Armen zu helfen, dem, der sich einsam und verlassen fühlt, dem, der keinen Sinn mehr im Leben findet. – Papst Franziskus

Unser Abenteuer begann am Montagabend um 20:45 Uhr, und zwar damit, dass wir den Bahnhof nicht fanden. Uns wurde gesagt, dass der Bus nach Polen zu dieser Zeit am Meßkircher Bahnhof abfährt. Nur leider bewegen wir uns sonst höchst selten in Meßkirch, sodass schon das eine ganz schöne Herausforderung war. Schließlich entdeckten wir ein einigermaßen bahnhofsmäßiges Gebäude, und auch wenn das freundliche Putzpersonal vor Ort die Auskunft : „Nix Bahnhof!“ gab, hielt irgendwann ein großer blauer Reisebus direkt vor uns an. Erste Herausforderung geschafft!

Die Zweite war schon deutlich schwieriger. Nachdem mir meine Eltern so richtig schön peinlich hinterher gewunken haben, während der Bus sich in Bewgung setzte, war es für meine Cousine und ich nämlich an der Zeit, uns mit unseren Mitmenschen zu befassen. Denn der Reisebus war alles andere als leer und wir würden schließlich die nächsten 7 Tage zusammen verbringen. Unsere Busbegleitung Andi (bester Mann übrigens) hatte ähnliche Ideen, deswegen griff er gleichmal zum Busmikro und ordnete ein Speeddating an. Wir also ständig am Plätze wechseln und reden. Nach jedem Wechsel gab es neue Fragen wie: Was erwartest du vom Weltjugendtag? Oder: Was ist dein verrücktestes Talent?

Am Ende wussten wir von allen zumindest schon mal den Namen und das war genug, um in irgendwelche verrückten Gespräche zu verfallen. Wir kannten uns zwei Stunden und es fühlte sich an wie Tage, und vermutlich war das der Moment, in dem mir klar wurde, dass das nur gut werden konnte. Die Chaoten auf dem Weg nach Krakau!!

…naja, oder – um auf die Realität zurückzukommen- auf dem Weg nach Mysowice, oder von uns auch liebevoll Myslitown genannt. Nach 14 harten Stunden mit zahlreichen, unglaublich amüsanten Busfahrerwitzern und einer erotischen „50 shades of Grey“- Vorführung war das nämlich unser erstes Ziel. Myslitown liegt 70 Kilometer weit weg von Krakau und besteht unserem Eindruck nach hauptsächlich aus einem gigantisch großen Friedhof, auf dem es zugeht wie auf dem Jahrmarkt und der von potthässlichen Plastikblumen dominiert wird. Das ist Polen 😀

Es gibt dort dann doch noch ein paar andere Sachen als den Friedhof – ein Lyceum nämlich, also eine große Schule, in der alle Freiburger Pilgerer untergebracht waren. Dabei ging es bei der Zimmerverteilung dezent ungerecht zu. Während wir Mädels uns vollkommen entspannt auf die Klassenzimmer für Englisch, Mathe und Geschichte aufteilen durften, bezogen sämtliche Freiburger Jungs die große Turnhalle, die zur Schule gehört. Ich war im Geschichte- Klassenzimmer ( was ganz bestimmt Schicksal war und mich nur noch mal an mein Kursstufen-Drama erinnerte) und wohnte zusammen mit 18 anderen Mädchen. Das war vollkommen ok, und mich hat es auch nicht gestört, dass wir uns dort voreinander umziehen mussten und so weiter. Alle waren sehr nett, und spätestens nach einem kurzen Besuch im Jungslager habe ich das Klassenzimmer um so mehr geschätzt 😀 So sah es bei den Jungs aus:

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Wenn ich das Bild so sehe habe ich schon fast wieder den typischen Sporthallengeruch in der Nase und den kontinuerlichen Lärmpegel im Kopf. Sagen wir es mal so: die Jungs hätten glaube ich lieber noch mal eine Nacht im Bus verbracht als hier 😀

Nachdem wir alles ausgepackt und gleich mal das schönste Chaos verbreitet haben, ging es los, Myslitown erkunden. Wir bekamen unser erstes Mittagessen bei der Kirche, wobei wir zum ersten Mal feststellten dass Massenessen nicht unsere große Vorliebe ist. Zu dem Zeitpunkt waren wir aber noch guter Dinge, dass das mit dem Essen sicher noch bergauf gehen würde ( immerhin hatten wir Hoffnung)

Danach trafen sich alle Freiburger zu einer ersten Andacht in der Kirche von Myslowice. Die war im Vergleich zu der etwas heruntergekommenen Stadt wirklich schön! Nur mussten wir bei dieser ersten Kirche ständig gegen den Schlaf ankämpfen und haben uns schon ab circa 16:00 Uhr auf das Bett gefreut!

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Ihr müsst euch den Weltjugendtag wie ein einziges Trainingscamp für Walking-Leute vorstellen, unter ein paar Kilometern pro Tag  geht da gar nichts. Nach der Andacht beispielswiese ging es erstmal von der Kirche zum Maktplatz, wobei wir wieder am Friedhof vorbei liefen und dann noch gefühlte 28439854 dunkle Gassen durchquerten, bis wir am Ort des Geschehens waren: beim Jugendfestival.

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Das Jugendfestival ist ein Angebot für alle in Myslowice untergebrachten Pilgerer, um auch dort etwas vom Weltjugendtag zu spüren. An diesem Abend waren das polnische Tänze. Manche von unserer Gruppe beteiligten sich auf der Bühne daran, aber der Großteil von uns betrachtete das Spektakel am Rand- unter ständigem Gähnen:-D

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Deswegen gingen wir relativ schnell zurück in die Schule.

Ganz kurz zu den Abenden generell: aus ihnen wurden Nächte, und aus ihnen wurden Morgende. Schlaf war in dieser Woche kostbare Mangelware, denn die meiste Zeit schlichen wir uns gegen Abend in den zweiten, unbewohnten Stock der Schule. Im Geographieraum lernten wir viel über die Nachtbarländer Deutschlands und diverse Flaggen, aber noch viel mehr über verschiedene Werwolfstrategien und Mischgetränke. Merkt euch einfach zwei Dinge: erstens, wer sich zum Bügermeister aufstellen lässt, ist zu 100 Prozent Werwolf, und zweitens: Marco stirbt einfach immer. SORRY 😀

Here´s to the nights that turned into mornings and the friends that turned into Family!

Die erste Nacht war noch nicht so krass, weil wir alle so müde waren. Und wir brauchten die Erholung, denn der erste richtige Tag in Polen hatte es bereits in sich. Erstmal galt es, einen Schock zu verarbeiten: das Frühstück, das in der großen Aula der Schule eingenommen wird (die übrigens mehr aussieht wie ein Königssaal) bestand aus einem lätschigen Wecken ( kaum Schwäbisch :-D) mit Käse und Gurke und einem sehr gewöhnungsbedürftigen Berliner. Wasser mit Kohlensäure gab es auch nicht, und den Kaffee trank ich auch nur leer, weil ich den Tag sonst wohl nicht überlebt hätte. Ich verstehe ja dass es schwierig ist, Essen für 175 Leute alleine in unserer Schule zu besorgen, aber müssen es denn wirklich Käsewecken sein?? Fakt ist, ich habe meinen Kaba und das Schokomüsli vom ersten bis zum letzten Tag vermisst. <3

Mit mehr oder weniger vollem Magen ging es dann los in die Kirche, wo alle Freiburger und die Schweitzer zusammen Katechese feierten. Die Katechese dauert drei Stunden und beinhaltet folgende Programmpunkte: 1. Anbetung und Hohelied (da werden mega schöne Lieder gesungen) 2. Bischofsstunde (wo zum Beispiel Weihbischof Gerber da war und Fragen beantwortet hat) und 3. die Eucharistiefeier.
Mal ganz ehrlich, zuhause finde ich Gottesdienste oft so langweilig. Ich gehe zwar fast jeden Sonntag in die Kirche, aber wirklich erfüllt bin ich danach nicht. Das war hier so anders. Keine Ahnung woran es liegt, an den wunderschönen Liedern bei denen ich immer eine Gänsehaut kriege, an den Bischöfen die ihre Sache so gut machen oder an uns Jugendlichen – ich weiß es nicht. Aber ich habe die Katechesen so genossen und konnte gar nicht glauben, wie schnell die drei Stunden vergangen sind.

Und da war auch etwas, was ich anfangs gar nicht hier rein schreiben wollte, aber irgendwie ist es wichtig. Ich glaube, ich habe ein Wunder erlebt. Ich war am Anfang der Woche zerfressen von Traurigkeit und Angst, auch wenn das mir wahrscheinlich niemand angemerkt hat. Der Tod meines Opas eine Woche vorher hat mich vollkommen verwirrt, plötzlich hatte ich wieder diese irrsinnige Angst um mein eigenes Leben und meine Gesundheit, ich hatte Schmerzen überall, und die Angst, kurz vor dem Ende zu stehen hat mich fast wahnsinnig gemacht. Mitten in diesem Chaos kam am Mittwoch in der Katechese das Angebot zu einem Einzelgespräch mit Pfarrern, die rund um die Kirche verteilt darauf warten. Sie sagten, dadurch können wir ganz persönlich die Barmherzigkeit erfahren, die Gott uns schenkt, und unter der ja diese ganze Woche stand. Ich wusste in dem Moment in dem er das sagte, dass ich es von ganzem Herzen wollte. Ich wollte, ich musste die Barmherzigkeit Gottes erfahren, um diesem Leben wieder positiver ins Gesicht sehen zu können.

Es waren 10 Minuten, in denen ich mit einem Schweitzer Pfarrer im Garten der Kirche in Myslowice saß und redete, – über Dinge die ich niemandem in meinem Leben davor je gesagt hatte. Ich bat ihn darum, mir zu helfen, mehr auf Jesus zu vertrauen. Bei unserer Anreise haben wir ein Armband gekommen, auf dem steht: Jesus, I trust in you. Was kann es besseres geben, als das mit voller Überzeugung sagen zu können? Ich kann nicht mal mehr genau sagen was mir der Pfarrer auf diese Frage geantwortet hat, ich weiß nur noch wie sehr er mir mit wenigen Sätzen geholfen hat, alles anders zu sehen. Es ist wie wenn man verzweifelt nach einer Antwort sucht und dann kommt jemand anderes und sagt sie dir, und du schlägst dir die Hand an den Kopf und fragst dich, wieso du da nicht früher draufgekommen bist. So war das, mein Wunder, und ich bin so unglaublich dankbar dafür. Seit diesem Gespräch sind meine Schmerzen und die Angst verschwunden, wie von Zauberhand. ich habe am Tag danach in der Kirche noch Ausschau gehalten nach dem Pfarrer, um mich zu bedanken, aber leider habe ich ihn nicht mehr gesehen.

Für den absolut unwahrscheinlichen Fall dass er das hier liest: Sie waren mein Wunder, sie haben mich zu Jesus geführt und ich danke ihnen dafür!!

Wir nahmen ein weiteres außerordentlich leckeres (nicht) Mittagessen ein, und dann ging es endlich los nach Krakau. Wir waren so gespannt, dass die zweistündige Busfahrt mega schnell vorbei ging, zumal wir gefühlt das komplette Pilgerliederbuch durchsangen.

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Übrigens, wir sind eine sehr singfreudige Gruppe (nein ich bringe jetzt nicht den Singen-Witz :-D) und wir haben sowas von Potenzial – OHNE SCHEIß!!!)

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Nach der Busfahrt sowie zwei weiteren stressigen Zugfahren waren wir endlich in Krakau City – und sofort begeistert und beeindruckt von der unglaublichen Stimmung die dort geherrscht hat. Ihr könnt euch das gar nicht vorstellen – so wie ich mir Krakau nicht ohne 1 Millionen Pilgerer vorstellen kann. Massen an Menschen bewegten sich durch die Straßen der Stadt, singend, tanzend, Sprechchöre skandierend. „Papa Francesco!“, „Vive la France!“ und „Yo soy espanol, espanol , espanol“ sind nur einige der Dinge die ich in dieser Woche gehört habe, und ungefähr alle zwei Sekunden rief jemand: „Where are you from?“ Dann ergaben sich kurze Gespräche über Name, Herkunftsland und Alter, bevor einen der Strom der Masse wieder auseinander trieb.

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An diesem ersten Tag machte ich die besten Begegnungen, und zwar mit 4 Franzosen.

  1. Eine Gruppe von Jungs und Mädchen, die alle mega nett waren
  2. Eine Jungsgruppe aus der Bretagne, die auch echt voll cool drauf war
  3. Alois, ein Junge mit dem ich gerade französisch auf Facebook schreibe – ich liebe es einfach!!! 😀
  4. Und Achtung – haltet euch fest-  Marco Maximilian

Ich wette mit euch, jeder der aus meiner Gruppe diesen Namen liest, verdreht jetzt die Augen und schließt den Blogpost ( an dieser Stelle ciao an euch! ;-D ) denn Marco Maximilian war auf dieser Reise mein Thema Nummer 1 und der Grund, wieso ich plötzlich angefangen habe, das Gegrüßet seist du Maria auf Französisch zu beten.

Je vous salue, Marie, plein de grace…

OK ok, ich höre auf. Aber das Selfie, das wir mit dem berühmt-berüchtigten Marco Maximilian gemacht haben, kann ich euch nicht vorenhalten. Definitiv nicht 😀

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Wir haben wirklich cooles Zeug geredet, er hat „Ich liebe dich“ auf Deutsch gesagt und mich mit seiner Kombination aus gut aussehen und französisch reden fast um den Verstand gebracht. Das einzige was wir nicht geschafft haben, war den Facebook-Name und die Nummer auszutauschen. Ich habe ihn die ganze Woche nicht mehr gesehen, obwohl ich praktisch nichts anderes gemacht habe, als Ausschau zu halten. Et non, Marco Maximilian, je ne vais t´ecrire pas un message ice, parce que la Chance que tu le lis est moins que la Chance Avec le curé 🙁 Vielleicht nur so viel: du warst die Person, nach der ich gesucht habe, 5 Tage lang, in der größten Menschenmasse die es zu der Zeit auf der Welt wahrscheinlich gab.

It all comes down to the person you look for in a crowded place.

Ich musste mich also weiterhin mit unserer deutschen Gruppe vergnügen, was aber überhaupt nicht schlimm war, weil wir einfach die allerbesten sind und jeder Moment irgendwie so witzig und cool war, dass ich eigentlich ständig am Strahlen war. Den Abend in Krakau verbrachten wir dann noch bei einem Getränk auf einem Schiff auf dem Fluss ( und fragt mich bitte nicht wie der heißt, keine Ahnung 😀 ) und auf der Suche nach irgendwelchen vegetarischen Sachen zum Essen. Am Ende hatte ich einen vegetarischen Burger mit Spinat- Pancake und ohne Witz, er war besser als jeder Veggie Clubhouse bei MC Donalds!!

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Und dann liefen ungefähr alle Tage nach dem selben Muster ab: morgens der Besuch in der Katechese, mittags die Fahrt nach Krakau. Nur leider blieb oft keine Zeit mehr für ein Schlendern durch die Stadt. Schon am nächsten Tag (Donnerstag) stand nämlich die Papst-Willkommenszeremonie auf der Blonia-Wiese in Krakau statt. Leider ist Polen wetterbedingt ziemlich komisch drauf: es kann höchstens mal 3 Stunden warm und sonnig sein, dann verkraftet das Polen nicht mehr und muss erstmal einen 5-stündigen, sturzbachartigen Regen hinterherschicken. Das wussten die Organisatoren wohl auch, deswegen hat jeder von uns in seinem Pilgerrucksack einen Regencape in den Farben rot, blau oder gelb bekommen. Am Anfang habe ich darüber noch gelacht, aber ich muss zugeben, wir haben ihn soo oft gebraucht, und an diesem Mittag hatte er seinen ersten Einsatz. Deswegen sah es auf der großen Wiese ziemlich lustig aus, als sämtliche Pilgerer damit rumgelaufen sind 😀

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Vielleicht sieht man es uns ja an: ab einem gewissen Punkt war uns der Regen einfach egal. Dieser Jubel, als das Papamobil endlich durch die Menge fuhr und wir den heiligen Vater begrüßen konnte, die Ausgelassenheit während den einzelnen Vorführungen und die zahlreichen Tänze, Sprechchöre und Gesänge. In diesen Stunden waren wir glücklicher denn je, auch wenn man das – von außen betrachtet – wohl schwer verstehen kann. Wer von euch die Schwäbische Zeitung liest und am Samstag den Artikel von Theresia, Hannah und mir gesehen hat, kann sich jetzt auch vielleicht vorstellen wieso ich so aussehe wie ich aussehe: klatschnasse, gewellte Haare, sexy gelbes Regencape, aber ein Strahlen, dass mir an diesem Tag niemand nehmen konnte. Fünf Minuten vor und fünf Minuten nach dem Foto habe ich immer noch so gelacht, und das kommt bei mir jetzt auch nicht so oft vor. Deswegen: ich finde das Foto wirklich auch nicht gelungen, aber es wird mich immer an diese Stunden voller Glück erinnern, und das ist gut so 🙂

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Never forget that dancing in the rain can heal your soul more than anything else.

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Eines schönen Morgens wurde uns das Deluxe-Frühstück inform von weichen Wecken (mittler Weile sogar ohne Belag) und stillem Wasser dann zu blöd, und wir beschlossen, uns in Myslitown City selbst etwas zu kaufen. Dies gestaltete sich dann leider als nicht ganz so einfach, da alle Lokale im Zentrum entweder den Sinn von „Bedienen“ nicht kannten oder schlichtweg keine Frühstücks-artigen Speisen zur Verfügung hatten. Irgendwann spaltete sich unsere Gruppe dann auf, die einen gönnten sich einfach mal ein Eis zum Frühstück, die anderen (dazu gehörte ich) fanden ein etwas suspektes Café, in dem uns erstmal Alkohol zum Frühstück, und schließlich Toast angeboten wurde. Wir entschieden uns für zweiteres, aber richtig genießbar war das auch nicht. Was haben wir daraus: in Myslitown kann man einfach nicht frühstücken!!

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Wo wir schon bei mysteriösen Dingen sind: DER ZUG. Ja genau, DER Zug. Am selben Tag beschlossen wir nämlich, Krakau mal auf eigene Faust und nicht mit unserem Reisebus zu erkunden. Die Freiburger Betreuer meinten nämlich, dass wir damit schneller sein könnten. Wir also circa zu 10. auf zum Myslitown Bahnhof, wo es bereits äußerst creepy und verlassen aussieht. Da war der Messkircher Bahnhof ein Scheiß dagegen 😀

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Tatsächlich kam irgendwann auch mal ein Zug, der sogar zweistöckig war. Im unteren Stock saß eine Gruppe Schweitzer Pilgerer, aber wir wollten erstmal hoch. Das bereuten wir jedoch eine Sekunde nach dem Treppensteigen, denn da oben war alles leer, dreckig, wackelig und mega gruselig. Wir also alle wieder runter in ein anderes ,ebenfalls leeres unteres Abteil, wo wir die nächsten zwei Stunden verbringen sollten. Ich frage mich seit dem Tag schon manchmal, was eigentlich Polen so von Züge putzen hält, die Staubschicht an Fenstern und Mülleimern war nämlich garantiert schon Monate alt. Wir versuchten krampfhaft, nichts anzufassen und lenkten uns mit Liedern aus dem Pilgerbuch und diversen Bildern von Marco Maximilian ab. Bis wir die äußeren Umstände irgendwann nicht mehr ignorieren konnten, weil es mal wieder zu regnen begonnen hatte – draußen genauso wie im Zug! Die Decke war undicht und es tropfte, und wir Kombinationstalente rannten sofort ins obere Abteil. Tatsächlich: dort stand das Wasser, und durch die Decke tropfte es ebenfalls. Das war dann der Moment wo wir polnische Züge nicht mehr ganz so cool fanden. Ich meine hallo, wir waren mitten in der Pampa und keiner von uns wusste, wie man aus diesen Zügen flüchten konnte, sollten sie irgendwann überlaufen. Zur Krönung hat es dann auch gleich noch geblitzt und gedonnert, und das war die Geburtsstunde eines neuen Thrillers: DER HORRORZUG, geschrieben von Bus 4 aus Freiburg. Aber der Inhalt bleibt leider noch geheim, da müsst ihr euch bis zum Erscheinungstag gedulden 🙂

Von Krakau hatten wir dann auch nicht so besonders viel an dem Tag, wir verbrachten die Zeit nämlich damit, in einer Pizzeria auf gutes Essen zu hoffen, beziehungsweise dem nicht-englischsprechenden Bedienungspersonal irgendwie zu schildern was wir essen wollen. Ganz ehrlich, was ist das für ein Restaurant, wo man die Dicke des Pizzarandes selbst bestimmen darf, dafür aber kein einziges vegetarisches Nudelgericht bekommt?! 😀

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Trotz dem gewöhnungsbedürftigen Frühstück ging die Zeit in unserer Schule in Myslitown viel zu schnell vorbei. Schon am Samstag morgen war es Zeit, die Sachen zu packen und tschüss zu sagen, zu unseren Schlafräumen, der geliebten Turnhalle und dem Geographieraum, der so viele amüsante Nächte mit uns geteilt hat – und bestimmt auch den einen oder anderen Skandal 🙂

Was uns jetzt bevorstand, war die größte Herausforderung der Reise, und Gott sei Dank wussten wir das nicht von vorneherein. Wir wussten nur, dass uns ein langer Fußmarsch erwartete, raus aus dem Stadtzentrum von Krakau, bis auf das große Abschlussgelände außerhalb. Es war der einzige Tag der Woche, an dem Polen ohne Regen auskam. Von morgens bis abends prallte die Sonne auf uns herunter, und es war unbeschreiblich heiß. Wir traten den Marsch samt unseren Backpacks an, umrundet zahlreichen anderen Pilgerern aus aller Welt. Am Anfang war es wirklich cool, ein paar Spanier stimmten Unwritten an und wir sangen mit, und Chiaras großes Life-Goal erfüllte sich auch , weil wir nämlich alle auf der Autobahn liefen.

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Das alles ging eine Zeit lang gut – und dann wurde es unerträglich. Es verging Stunde um Stunde ohne Aussicht auf ein Ziel, der Backpack drückte an allen möglichen Stellen des Körpers und unsere Motivation war monoton fallend, was Wunsch-Mathelehrer Marco save bezeugen kann. Alle zwei Minuten mussten wir Platz machen, weil sich ein Krankenwagen durch die Menge bahnte, unterwegs zu irgendjemandem, desssen Kreislauf versagt hatte. Gott sei Dank ist es bei uns allen gut gegangen – also so vergleichsweise zumindest. Es ist wirklich unglaublich- egal wie demotiviert, erschöpft und verzweifelt wir waren, einer von uns hat immer den Optimismus bewahrt (meistens Marco 😀 ) und die anderen wieder aufgemuntert. Gegenseitig haben wir uns gepusht, angeheizt und gestärkt. Ich glaube das ist das, was unsere Gruppe so besonders macht. Wir sind ein Haufen Pessimisten, aber nie alle gleichzeitig, und deswegen können wir alles schaffen. Nach circa 4 Stunden erreichten wir eine kleine Vorstadt von Krakau, wo uns die Bewohner auf eine ganz besondere Weise halfen: sie baten kostenloses Wasser, Essen und eine Abkühlung unter Rasensprenger und Gartenschlauch an. Das war wirklich eine ganz besondere Geste, und wir waren sehr dankbar, dass wir uns dank ihnen fühlen durften wie berühmte Marathonläufer.

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Und schließlich, endlich, nach 100 Jahren, als schon niemand von uns mehr damit rechnete, irgendwann überhaupt anzukommen, war es soweit: Campus Misericordae, wir haben dich endlich gefunden.

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Auf dieser Wiese haben wir die letzten zwei Tage unserer Reise verbracht, und es waren mit Abstand auch die Besten. Die Bauingenieure unter uns haben erstmal mittels Planen, Regencapes und Kabelbändern ein Zelt gebaut, für das uns alle beneidet haben. Und so feierten wir eine Nacht und zwei Tage einfach alles – uns, Jesus, Gott, diesen Weltjugendtag. Und weil ich schon so viel geschrieben habe, hier ein paar Bilder  – die sagen sowieso viel mehr als Worte.

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Wer übrigens den Gottesdienst am Sonntagmorgen im Fernseher gesehen hat, kann sich sicher sein, dass er mehr davon mitbekommen hat als wir alle am Ort des Geschehens. Wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, uns irgendwie von der Hitze abzulenken. Das war schon echt krass, Trotzdem hat sich der Gottesdienst auch gelohnt, wir haben den Papst nochmal im Papamobil gesehen und konnten uns mit den Menschen aus Panama freuen, die direkt neben uns standen und bei der Verkündung des nächsten Weltjugendtags in Jubel ausbrachen.

Übrigens könnt ihr mich alle für verrückt halten so lange ihr wollt, ich werde 2019 nach Panama fliegen, und wenn ich jetzt schon mit Sparen anfangen muss 🙂

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Die Nacht auf dem Campus war wie ein einziges großes Festival des Glaubens, nur dass auf einem normalen Festival höchstens 60 000 Menschen sind und wir 2 Millionen waren. 2 Millionen Menschen, die aus 187 Ländern kommen, 187 Sichtweisen, Perspektiven, Erfahrungen, und doch vereint, im Glauben an den dreieinigen Gott. Ich glaube ich realisiere das jetzt erst so richtig, wo ich wieder zuhause in meiner Kirchengemeinde bin und den Glauben ganz anders lebe. Ich denke jeder sollte die Erfahrung gemacht haben, nicht alleine mit etwas zu sein. Es fällt mir jetzt so viel leichter zu sagen: Ja, ich glaube! Weil ich jetzt weiß, ich war mit 2 Millionen Menschen zusammen, die das Gleiche sagen. Was will man mehr? Für mich ist das das Höchste der Gefühle. Ich bin mit dem größten Geschenk nach Hause gekommen, das man sich vorstellen kann: Jesus.

Jesus hat uns die ganze Zeit begleitet, auch auf dem Weg vom Campus zurück zum Bus. Denn wie es eben sein muss, hat es keine fünf Minuten nach unserem Aufbruch begonnen, zu gewittern, und zwar ziemlich heftig. Dadurch hatten wir eine sehr schöne Begegnung mit einer polnischen Familie, die uns in ihr Haus wank und sofort Tee und Kekse bereitstellte. Während wir darauf warteten, dass der Regen nachließ, erklärten sie uns, wie wir am Besten ins Zentrum kommen konnten. Zum Dank unterschrieben wir alle auf unserer Weltjugendtag-Flagge und ließen sie ihnen da. Ich hoffe, es hat sie gefreut 🙂

Es dauerte weitere 5 Stunden bis zum Ziel, in denen wir durchnässt, verzweifelt und gereizt waren, aber manchmal auch einfach nur gut drauf. Außerdem ging kurzfristig noch die Tauscherei los, ich bekam ein Armband aus Spanien und Argentinien, und zu meiner riesengroßen Freude eine der begehrten Italien-Kappen. Die habe ich praktisch noch nicht abgelegt und ich liebe sie – danke Nikolas 🙂

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Das also war diese Woche. Ich habe nie verstanden, was das heißt, „Im Glauben vereint“, also nie so wirklich. Jetzt weiß ich es. Ich weiß, was es heißt, mit 2 Millionen Jugendlichen das Selbe zu erleben und zu denken, egal ob sie Marco Maximilian, Nick, Normann, Alois oder Renault heißen. Jetzt kenne ich das Gefühl von Euphorie und Entschlossenheit, wenn nur irgendein Kirchenlied angestimmt wird. Jetzt denke ich mit Sehnsucht an die Stunden in einem schaukelnden, polnischen Nachtzug, wo wir zusammen mit Kanadiern ( hello Nick and Normann 🙂 ), Franzosen und Menschen aus Angola „Syahamba“ sangen. Irgendwo auf irgendeiner Straße Krakaus stimmt ein Pole die offizielle WYD-Hymne an, und Sekunden später steigt die halbe Straße ein – auf Englisch, Spanisch und Französisch. Was ist das eigentlich für ein Wunder, dass sowas funktioniert?

Auf jeder Großveranstaltung, bei jeder Fußballmeisterschaft, in jeder Vereinigung gibt es Krawalle, Anfeindungen und Rassismus. Man nehme die EM in Frankreich, oder einfach Europa. Überall gibt es Konflikte. Bei uns nicht. Das sind wir, die Jugend die friedlich auf einander zu geht und gemeinsam den Glauben Gottes lebt. Wir haben der ganzen Welt bewiesen, dass wir mehr sind als nur „die Jugend von heute“. Papst Franziskus hat uns mit seinen Worten bestärkt. Er glaubt an uns, er versteht uns. Ich bin dankbar für seine Art, mit uns zu sprechen, und ich bin stolz, in dieser Jugend zu sein. Zusammen können wir alles schaffen, das hat sich in der vergangenen Woche gezeigt.

Danke an meine Gruppe Bus 4, wir haben Potenzial – OHNE SCHEIß! Danke für die wunderbare Zeit, für lustige Busfahrten, verrückte Nächte und nicht endenwollende Diskussionen über Baden, Schwaben und die Hauptstadt von Vietnam – HANOI 😀 Save war das die beste Zeit überhaupt mit euch, und save rocken wir das Konstanzer Seenachtfest 🙂

Danke an Polen, das uns so gastfreundlich aufgenommen hat, komisches Essen hin oder her. Überall war so viel Hilfsbereitschaft und Solidarität, Willkommensfreude und Offenheit. Ich glaube das wussten und wissen wir alle sehr zu schätzen.

Und Danke an dich Gott, dass du uns zusammengerufen hast an diesen schönen Ort, dass du uns gezeigt hast wie sehr du da bist und auf dieser Erde wirkst. Danke Jesus, dass wir dir vertrauen können. Danke ganze Welt für einen legendären Weltjugendtag, wir sehen uns wieder – 2019 in Panama.

The times we live in do not call for young couch potatoes. But for young people with shoes, or better, boots laced. It only takes players on the first string, and it has no room for bench-warmers. Today´s world demands you to be a protagonist on history, because life is always beautiful if we choose to live it fully, if we choose to leave a mark. -Pope Francis

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Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.